Osterbrief 2023
Liebe IEF-Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde,
in diesem Jahr bedenken wir das Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn Jesus Christus während des immer noch andauernden Krieges in der Ukraine mit seinen weltweiten Folgen. Noch ist kein Ende in Sicht. Und doch: es wird Ostern! Nicht nur ein paar Feiertage! In der Auferstehung Jesu Christi ist uns eine lebendige Hoffnung geschenkt!
Die Auferstehung am Flussufer – dieses Bild aus dem Jahr 1947 hat mich in der Ausstellung Chagall – Welt in Aufruhr in besonderer Weise angesprochen: Der 2. Weltkrieg ist zu Ende. Nach Jahren der Schrecken und der Leiden, des Ringens um Leben und Überleben, beginnt das Leben neu! Ein Bild der Hoffnung! Dabei fällt zuerst Jesus am Kreuz ins Auge: quergelegt! Wie zur Kreuzabnahme am Abend des Karfreitag, auf den die dunkle Mondsichel anzuspielen scheint. Jesus, der Jude, trägt als Lendenschurz den jüdischen Gebetsschal. Auf dem Hintergrund des Antisemitismus der Jahre um und zwischen den beiden Weltkriegen, des Holocaust und seiner eigenen Biographie wird Marc Chagall sich in dieser Zeit seiner jüdischen Wurzeln bleibend bewusst. Immer wieder malt er Jesus, den Gekreuzigten: Inmitten des Grauens wird er ihm – entsprechend der Botschaft Jesajas vom leidenden Gerechten (Jes. 53) – zum „großen Mitleidenden“ des jüdischen Volkes, in der Nachkriegszeit „zur Quelle der Inspiration“. Das Leiden Jesu und die Leiden der Menschen werden nicht geleugnet – aber auch nicht die Hoffnung im Leiden, die Chagall aus der biblischen Botschaft vernimmt.
So zieht der quergelegte gekreuzigte Jesus den Blick auf sich: im Licht des anbrechenden neuen Morgens, der Jesus, den dunklen Mond, die Stadt, ihre Häuser, den Fluss in ein neues, verändertes Licht taucht. Auferstehung!
Schon paddeln Menschen auf dem Fluss im Licht einer hellen Mondsichel. Auch am Flussufer kommt das Leben in Gang, noch im dunklen Violett der zu Ende gehenden Nacht: Ein Paar ist schemenhaft zu erkennen. Darüber eine Frau, die eine lichtvolle Kugel nach oben hält. Unten, blau umhüllt, eine Frau, die Blumen pflückt. Links daneben eine Mutter mit Kind, den Blick nach oben gerichtet, ihr Gesicht rot angestrahlt vom Licht. Ganz unten, liegend, eine Frau mit einer grünen Geige. Farbe, Musik! Eine Frau singt Gottes Lob, ganz unten rechts, vor einem brennenden siebenarmigen Leuchter, ihr Gesicht hell erleuchtet.
Alle diese Gestalten wirken wie Zeichen der Hoffnung von neu erwachendem Leben, eines von Kunst, Glauben und Naturbegeisterung erfüllten neuen Anfangs. Dazu gehört auch der Maler selbst, rechts im Bild mit seiner Farbenpalette. Lange konnte er nicht malen nach dem plötzlichen Tod seiner Frau. Doppelköpfig stellt er sich dar, nach allen Erfahrungen, noch in Ungewissheit, wo er bleiben wird, mit Esels- und Menschenkopf.
Ob das Bild seine eigene Auferstehung zum Thema habe , wird er gefragt. Er gibt die Frage zurück an die, die sein Bild betrachten. Kunstwerke müssen für sich selbst sprechen.
Chagall hat sich insbesondere als „Maler der Bibel“ verstanden. Er setzt die Botschaft der Bibel ins Bild – als „den Traum der ganzen Menschheit, …damit die Menschen hier Frieden und eine bestimmte Geistigkeit, eine Religiosität, einen Lebenssinn finden“. Viele kennen sein Alterswerk, die wunderbaren Glasfenster in St. Stephan in Mainz.
Mit seinen Bildern hat er weltweit seinen besonderen Beitrag zur Versöhnung zwischen Menschen und Völkern geleistet, in Deutschland insbesondere zwischen Juden und Christen. Malerei und Farbe sind für ihn von der Liebe inspiriert. „Da jedes Lebens zwangsläufig seinem Ende zugeht, sollten wir unser Leben, so lange es dauert, mit unseren Farben der Liebe und Hoffnung ausmalen. In dieser Liebe findet sich die gesellschaftliche Logik des Lebens und das Wesentliche jeder Religion. Für mich entspringt die Vollkommenheit in der Kunst und im Leben aus dieser biblischen Quelle… Und fern von Bosheit und Aufregung können alle, zu welcher Religion sie sich auch bekennen, hierher kommen und von diesem Traum inspiriert werden.“ (Vorwort zu einer Ausstellung im Bildband Marc Chagall. Die großen Gemälde der biblischen Botschaft, 1986)
Versöhnt leben – ist die Überschrift unserer Regionaltagung vom 22.-24.05.2023 in Köln – Bocklemünd. Über welche Inhalte müssen wir heute sprechen, die biblische Botschaft neu hören in das, was in unserer Zeit „dran“ ist: In welcher Weise können wir versöhnt leben gestalten: zwischen den Konfessionen, im gemeinsamen Zeugnis, auch für den Frieden in der Welt, im Leben als geistliche Gemeinschaft?
Gemeinsam mit anderen wollen wir danach fragen. Dabei nicht vergessen, was uns inspiriert und geprägt hat, was uns im Miteinander und persönlich geschenkt worden ist: was erreicht wurde – und was zu überwinden ist. Wofür wir uns öffnen wollen, auch in diesen Zeiten: dankbar
ökumenisch leben, versöhnte Lebenszeit erleben!
Der Einladungsflyer zur Tagung finden Sie hier! Ich bitte um zeitnahe Anmeldung bei Bernd Karrasch!
Die Einladung zur Mitgliederversammlung am 24.05. mit Tagesordnung kommt mit eigener Post!
Auferstehung am Flussufer – ein Hoffnungsbild aus dem Umfeld der Nachkriegszeit in irdischem und kosmischem Rahmen. Ein Hoffnungsbild auch für heute – gegen alles Chaos und alle Resignation – zum Aufwachen und Aufleben, weil in der Auferweckung Jesu Christi von den Toten
uns lebendige Hoffnung auch für heute geschenkt ist
Mit herzlichen Segenswünschen für die kommenden Feiertage und die Osterzeit
Eure
Ute Kannemann
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